Langsam seile ich mich von der Decke des Hauptgebäudes ab und klappe das Visir mit der Nachtsichtkamera herunter. Es ist niemand zu sehen. Kurz schalte ich auf den Wärmebildmodus um und erneut ist niemand in Reichweite. Die Wachen werden auch immer nachlässiger. Kaum hörbar atme ich auf und setze mit meinen extra leisen Schuhen auf dem Boden auf. Jetzt nur noch den drucksensitiven Boden im Nachbarraum überwinden, durch die Laserschranken und den Raum mit dem Giftgas, dann bin ich am Ziel. Beinahe hätte ich jetzt die Geräuschsensoren vergessen, die sofort Alarm auslösen, wenn sie ein Geräusch wahrnehmen, das lauter als das Surren eines billigen Laptops aus 100m Entfernung ist. [Mission Impossible Mode: off] Es ist 3 Uhr. Nein, nicht 3 Uhr nachmittags, sondern 3 Uhr nachts. Was mache ich wohl um diese nachtschlafende Zeit im LEERstuhl? Ich betätige mich als Initiator der BND-Initiative "Dein Spitzel und Helfer" für mehr Transparenz von persönlichen Daten. Und natürlich seile ich mich nicht von irgendeiner Decke herunter; soetwas hat ein Bastard nicht nötig. Ein einfacher Cron-Job reicht aus, um die Überwachungskameras zu deaktivieren und den elektrischen Schließmechanismus der Türen zu überbrücken. Und so schleiche ich auch so leise wie ein Horde Erstsemester über die Flure, denn ich weiß, daß es hier keine funktionsfähige Alarmanlage gibt. Hier ist ja auch nichts mehr zu holen, nachdem die Beamer 3x aus den Vorlesungssälen gestohlen wurden und nun alle Räume mit einem vorsintflutlichen Overheadprojektor ausgestattet sind, den garantiert niemand freiwillig mitnehmen würde. Ich frage mich allerdings, was ich mit den ganzen Beamern anfangen soll; so langsam nehmen die einfach zuviel Platz in meinem Büro weg. Nun bin ich aber wirklich am Ziel. An der Tür steht "Rechnerraum für Studenten". Dies ist allerdings nur eine schöne Umschreibung, für das was sich wirklich hinter der Tür befindet. Es sollte eher heißen "Raum mit uralten Rechnern und strahlenden Monitoren, die schon längst hätten entsorgt werden müssen, aber für Studenten immer noch zu gut sind." Nachdem ich die Deckenbeleuchtung eingeschaltet habe, kann ich die menschlichen Umrisse an der Tapete ausmachen, die die Monitore mit den Studenten als Schablone in die Tapete gebrannt haben. An einer Wand hängt die Gebrauchsanweisung für die Terminals: "Erst einschalten, dann anmelden.". Daneben hat sich der Umriß eines Studenten mit Igelfrisur verewigt, den ich mit meinem neuen Hinweisschild überdecke, auf dem steht: "Im Zuge der neuen Anti-Terror-Gesetze unterliegen alle Daten, die Sie auf den Rechnern speichern, verarbeiten oder über Netzwerke austauschen, der ständigen Kontrolle des BND. In Kooperation mit dem BND bietet Ihnen die Universität einen einmaligen Service an, mit dem Sie versehentlich gelöschte Daten mit Hilfe der BND-Tools wiederherstellen können. Auch brauchen Sie Ihre eMails nicht mehr zu sichern, da Sie Ihre eMails unter der Service-Portalseite des BND service.bnd.de/myBND abrufen können. Für weitere Hinweise steht Ihnen Ihr BND-Ansprechpartner unter der Telefonnummer XXX zur Verfügung. Hochachtungsvoll, Ihr Bundesinnenministerium und das Dekanat". Die Telefonnummer verweist auf eine Nummer, die ich in die Telefonanlage der Uni eingegeben habe und alle Anrufe an meinen Apparat weiterleitet. Natürlich habe ich den DNS-Server auch etwas abgeändert, sodaß alle Anfragen nach bnd.de auf eine präparierte Seite auf meinem Webserver verweisen. Mit dem Gefühl, ein gutes Werk vollbracht zu haben, mache ich mich aus dem Staub. 3 Uhr. Nein, es ist nicht 3 Uhr nachts, sondern 3 Uhr nachmittags. Zu dieser nachtschlafenden Zeit befinde ich mich wieder im LEERstuhl und habe Probleme, meine Augen offen zu halten. Da reißt mich das Klingeln des Telefons aus dem Halbschlaf. An der Anzeige am Telefon kann ich sehen, daß jemand die BND-Hotline angerufen hat. Noch zweimal lasse ich es klingeln und nehme dann den Hörer ab. Mit gelangweilter Stimme nuschele ich "Bnd Servs Hotln". Am anderen Ende ist ein aufgeregter Student, der sich erst einmal sammeln muß, bis er den ersten Satz herausbekommt. "Es, Es geht um meine Diplomarbeit. Ich habe sie gestern fertiggestellt und wollte sie nur noch ausdrucken und nun ist die Datei nicht mehr in meinem Home-Verzeichnis". Da hat wohl wieder mein Skript zugeschlagen, das in unregelmäßigen Zeitabständen in den Studentenkonten alle Dateien löscht, die das Wort "Diplom" enthalten. Ich habe nicht einmal Zeit, über eine Erweiterung nachzudenken, die zusätzlich nach dem Wort "Bachelor" sucht, da immer mehr Studiengänge umgestellt werden und diese natürlich nicht durch mein Skript diskriminiert werden sollen, denn schon redet er weiter: "Ich brauche die Datei unbedingt. Übermorgen ist Abgabetermin." "Persnaaalkennumr" gebe ich mit einer Brezel im Mund zurück. "Wie bitte?" "Personalkennummer. Oder haben Sie etwa keinen elektronischen Ausweis mit genetischem Fingerabdruck?" "Einen was?" Ich stöhne einmal laut in die Muschel, sodaß dem Studenten mindestens ein Ohr abgefallen sein muß. "Wie soll man denn bei so wenig Entgegenkommen der Bevölkerung eine Totalüberwachung gewährleisten? Wissen Sie denn nicht, daß unser Staat jederzeit einem Terroranschlag zum Opfer fallen kann und Totalüberwachung nun mal der einzig wirksame Schutz ist, um das zu verhindern?" Nachdem ich ein weiteres Mal wie ein Nebelhorn ins Telefon getutet habe, zeige ich mich großzügig und biete ihm an, daß er mir auch seinen Benutzernamen sagen kann. Erleichtert nennt er ihn mir und da ich gnädig bin, schicke ich ihm eine "Diplomarbeit" zu, die aus zufällig ausgewählten Sätzen und Grafiken anderer Arbeiten besteht. Und wie wir alle wissen, macht sich niemand die Mühe, diese Arbeiten wirklich zu lesen. So könnte ich ihm auch noch zu einer besseren Note verholfen haben. Während ich mich noch ärgere, jemandem potentiell geholfen zu haben, klingelt das Telefon erneut. Dieses Mal ist eine Studentin dran, die gar nicht abwartet, bis ich etwas ins Telefon ablassen kann. "Ist da der BND-Ansprechpartner? Oh, gut es geht nämlich um folgendes: Mein Freund Tom hat ein Verhältnis mit meiner besten Freundin und da er ein feiger Hund ist, sollte er mir eine Mail schicken und sagen, für wen er sich nun entscheidet. Können Sie einmal nachschauen, ob die Mail irgendwie nicht durchgekommen ist?". "Ihr Name und der ihrer Freundin?" frage ich kurz angebunden. "Silke und Bärbel" kommt von ihr zurück. "Mal schaun" kommentiere ich das Klappern meiner Tastatur. Nach 5 Minuten, die bei ihrem Handytarif eine gute Stange Geld gekostet haben müssen, antworte ich schließlich: "Ja, da ist sie. Die Mail wurde zurückgehalten, da sie noch auf versteckte terroristische Aktivitäten untersucht wird." "Wie kommen Sie denn darauf?" Ich sage noch "Das darf ich nicht sagen, das könnte die Ermittlungen beeinträchtigen. Wenn wir mit der Analyse durch sind, bekommen sie die Mail." und lege auf, ohne eine Erwiderung von ihr abzuwarten. Unter einer bekannten Suchmaschine gebe ich die Begriffe "freundin schluß machen untreu vögeln" ein und werde sofort fündig. Nun ersetze ich die Namen der Akteure der Geschichte mit dem Titel "Mein Freund schwängert meine beste Freundin" durch Tom, Silke und Bärbel und schicke diese an die Studentin. Damit habe ich wohl sichergestellt, daß der demografische Wandel nicht durch Tom und Silke ausgeglichen wird und zukünftigen Bastardgenerationen jedenfalls ein Student erspart bleibt.